Aktive Doppelschicht-Strukturen aus Intelligenten Polymeren

Forschungsgruppen um die Polymerchemikerin Prof. Sabine Ludwigs und den Mechaniker Prof. Holger Steeb an der Universität Stuttgart haben nach dem Vorbild einer Blühpflanze aktive Doppelschicht-Strukturen aus intelligenten Polymeren entwickelt, die sich bei Feuchtigkeit autonom biegen und danach ihre ursprüngliche Form wieder zurückerlangen.

 Zudem haben sie die experimentellen Ergebnisse in ein Modell integriert, mit dem sich das Krümmungsverhalten prognostizieren und steuern lässt. Hierüber berichtete das renommierte Fachmagazin Advanced Materials. Das Prinzip könnte zum Beispiel für weiche Roboter-Greifarme oder in der Biomedizin genutzt werden.

Ramonda myconi, der Pyrenäen-Felsenteller, erfreut nicht nur mit kleinen violetten Blüten, auch die Blätter haben es in sich: Sie bestehen aus mehreren Schichten, von denen eine Wasser aufnehmen kann und dadurch aufquillt, während andere stabil bleiben. Bei extremer Trockenheit schwindet der Wasserspeicher und das Blatt wölbt sich. Kommen wieder feuchtere Zeiten, gewinnt das Blatt von alleine (autonom) die ursprüngliche Form zurück. 

Ein solches Verhalten ist auch für die Materialwissenschaft interessant, und zwar bei intelligenten Bauteilen, die ein kontinuierliches reversibles Verhalten aufweisen sollen. Dies ist zum Beispiel – Stichwort Soft Robotics – bei weichen Roboter-Greifarmen der Fall, die Bewegungen tausende von Malen ausüben und dabei jedes Mal den Wechsel von trocken zu feucht ohne Schaden überstehen sollen.

Modell ermöglicht zuverlässige Vorhersage der Krümmung 

Um zu solchen Materialien zu kommen, haben die Forschenden am Lehrstuhl für Struktur und Eigenschaften polymerer Materialien (Prof. Sabine Ludwigs) und am Institut für Mechanik/Bauwesen (Prof. Holger Steeb) der Universität Stuttgart die physikalischen Eigenschaften und das mechanische Verhalten der Blätter von Ramonda myconi als Vorbild genommen und eine einfache Doppelschicht-Struktur aus Polymeren nachgebaut: ein Biegebalken, bei dem die Variation der Luftfeuchte die Krümmungsantwort auslöst. Da es sich um ein aktives (mechanisches) Bauteil handelt, spricht man von einem Aktuator. Nun testeten sie den Biegebalken unter verschiedenen Klimata und beschrieben, wie die unterschiedlichen Parameter die Wasseraufnahmefähigkeit, die Steifigkeit und letztendlich das Biegeverhalten beeinflussen. Diese Daten integrierten die Forschenden dann in ein mathematisches Modell, mit dem sich das mechanische Verhalten prognostizieren lässt. „Die Verbindung aus mechanischer Charakterisierung und einem einfachen analytischen Modell erlaubt die zuverlässige Vorhersage der Aktuatorkrümmung. Das ist das Besondere an unserer Forschung“, erläutern Sabine Ludwigs und Holger Steeb. 

Künftig wollen die beiden Wissenschaftler ihre Forschung auf mehrlagige Strukturen sowie auf komplexere Geometrien erweitern. Zudem soll neben der Feuchtigkeit auch andere Trigger wie etwa ein elektrisches Feld untersucht werden, mit dem die Veränderung angestoßen werden kann.

Erfolgreiche fakultätsübergreifende Zusammenarbeit

Die Publikation ist das Ergebnis einer sehr erfolgreichen fakultätsübergreifenden Kooperation zwischen Natur- und Ingenieurwissenschaften. Dabei brachten die Arbeitsgruppen um Prof. Sabine Ludwigs und Prof. Holger Steeb ihre komplementären Expertisen im Bereich der Polymerchemie, Flexibler Elektronik und das Wissen um die Mechanik von Funktionalen Polymermaterialien zusammen. Den Impuls zu der Zusammenarbeit gab der inzwischen ausgelaufene transregionale Sonderforschungsbereich TRR 141 (Entwurfs- und Konstruktionsprinzipien in Biologie und Architektur. Analyse, Simulation und Umsetzung). Die Ergebnisse kommen auch dem Exzellenzcluster „Datenintegrierte Simulationswissenschaft“ (SimTech) an der Universität Stuttgart zugute. 

 

(Quelle: Universität Stuttgart)

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